Ich hatte bereits mal preis gegeben, dass ich fern ab der Finanzindustrie arbeite. Es hat sich mittlerweile sowohl in der Arbeit als auch im privaten Umfeld herum gesprochen, dass ich mich intensiv mit dem Thema Börse beschäftige. Und wirklich ausnahmslos jedes Mal wenn es die Börse in die Nachrichten schafft, so wie jetzt mit dem Gamma- und Short-Squeeze bei GME (GameStop), AMC (AMC Entertainment) oder NOK (Nokia), werde ich ständig auf das Geschehen angesprochen und “ob ich auch investiert wäre”. Ähnlich war es mit Bitcoin noch vor 2-3 Wochen. Es ist faszinierend und daher lohnt es sich auch mal darüber laut nachzudenken, was ich gleich tun will. Und auch über die Verwunderung, dass ich NICHT mein Geld in solche Aktien stecke und sie für hochriskant halte.
Ich möchte nicht falsch verstanden werden, aber ganz ehrlich: Für die oben angesprochenen Zeitpunkte bin ich mittlerweile sehr dankbar, denn damit weiß ich, dass die “easy money days” gezählt sind und es Zeit wird den Investitionsgrad zu reduzieren. Das mag überheblich klingen, ich weiß. Aber ich möchte gern mal aufzeigen warum ich glaube, dass die Mehrheit mit dieser komplett falschen Grundeinstellung immer auf der Verliererseite liegen wird und dass die Börse in Wirklichkeit viel einfacher und risikoärmer ist, wenn die nötige Arbeit, sprich Bildschirmzeit spendiert wird und ein Konzept erarbeitet und umgesetzt wird, welches die richtigen Aktien findet und einem bei den Kauf- und Verkaufsentscheidungen unterstützt.
Es kursieren aktuell mehr als genug Videos im Netz von völligen Anfängern mit Tutuorials wie “kauf heute und verkauf am nächsten Tag höher” Tipps. Ich kann nur warnen. Der überwiegende Anteil derer, die jetzt die Börse entdecken und dem blind folgen wird Schiffbruch erleiden. Der Markt toleriert diese Exzesse nicht und wird die Situation schon bald bereinigen. Immer wenn es zu derartigen Exzessen kommt, wandert “dumb money” zu den vorher investierten “smarts”, die aktuell Ihre Aktien abladen. Wenn das externe Publikum aufmerksam wird, ist höchste Vorsicht geboten! Die Wahrscheinlichkeit ist auch dieses mal sehr hoch, dass eine Gesamtmarktkorrektur genau am Höhepunkt dieser Exzesse, genau gesagt letzten Mittwoch gestartet sein dürfte. Darum habe ich auch meinen Investitionsgrad in allen Wikifolios erheblich reduziert und halte nur noch Aktien, die noch relative Stärke zeigen.
Gehen wir mal weg von den Phrasen und Markteinschätzungen und werfen einen Blick auf die Fehler des breiten Publikums. Zum Beispiel die Aktienauswahl:
Quelle: Screenshot von instagram.com
Das sind die Top5-gehandelten Aktien im Januar und im Dezember eines meiner Broker Flatex. Auch mal ein Lob an dieser Stelle, dass Flatex (anders als viele andere Broker) den Handel mit diesen heißen Pennys nicht eingeschränkt hat. Auch wenn ich glaube, dass es letztlich zum Nachteil der Beteiligten Trader ist, denn sie werden sich die Finger böse verbrennen damit. Warum? Da braucht man nur den Blick auf GME werfen. Jemand, der sagen wir mal am 27.1. aufgrund der News in GME eingestiegen ist, i.d.R. unlimitiert zum Tagesbeginn bei ca. 350 US-$, durfte am Tag darauf eine Tagespanne zwischen 500 und 100$ mitmachen. Tagesschluss Tag drauf war 193$. Oder anders gesagt: Knapp die Hälfte des eingesetzten Geldes wäre nur einen Tag später weg. Wollt ihr allen Ernstes solche Aktien handeln? Die Leute sehen nur dass die Aktie von 50 auf 500$ rennt, sehen aber nicht dass es ungefähr 2000 Voraussetzungen braucht um einen solchen Verlauf rechtzeitig und mit akzeptablem Risiko zu handeln.
Nehmt euch mal 2 Minuten und ladet die Aktienkurse der Flatex-Top-5 Kunden-Käufe von Dezember. Biontech, Curevac oder Moderna. High von MRNA am 1.12 von 177$, low Ende Dez zu 101$. Bis auf Tesla zeigen alle Aktien das selbe Bild. Kurs-High zu Dezemberbeginn, fallender Trend den ganzen Dezemberlang und Low am Ende. Warum kaufen die Leute sowas in fallende Trends? Anderes Beispiel TUI. Warum kauft jemand TUI? Fundamental betrachtet ein Unternehmen, dass um die Existenz ringt und auch noch gerade Geld vom Kapitalmarkt sammelt. Charttechnisch eine einzige Vollkatastrophe. Ist es der Glaube, dass TUI schnell (oder eines Tages??) zurück kommt weil der Staat aktuell so massiv eingreift? Wie lange ist der derjenige dann bereit zu warten dafür? Und was ist wenn nicht? Wann ist die Wette widerlegt und welcher Einsatz geht dann drauf? TUI ist seit 2018 im negativen Trend, also weit vor Corona. Der Aktienkurs ist heute ca. 60-70% tiefer als damals. TUI war wie gesagt weit vor Corona schwach vom Markt bewertet und auf einmal soll es aufwärts gehen weil die Leute kaum oder nur noch stark eingeschränkt reisen können?
Für mich sieht das so aus als kauften die Leute das was gerade im Trend oder in der Presse ist und werfen ihr hart verdientes Geld so leichtsinnig aus dem Fenster. Schlicht aus Faulheit sich Gedanken über morgen zu machen oder eben Prozesse aufzusetzen wie gute Aktien gefunden werden können. So kaufen sie wenn es zu spät ist und haben zudem ohnehin die falschen Aktien auf dem Zettel. Es sind die “crowded-stocks”, voller “schwacher Hände”, die sehr volatil sind und damit extrem schwierig zu handeln.
Interessant finde ist auch PlugPower, im Dezember bei den Top-5 Verkäufen. Die Aktie lief doch gut, es gab genau null Gründe für einen Verkauf. Der Markt war stark und die Aktie stark. Der Höchstkurs lag Ende Dezember irgendwo in der Spitze bei ca. 37$. Schaut euch mal den Verlauf im Januar an:
Ich denke es wird allein anhand der Aktienauswahl deutlich, dass die Leute zu wenig selbst nach Investitionen suchen, zu wenig Eigeninitiative und Research-Time investieren und dann Aktien nur nachlaufen und damit zu spät dran sind. Das Risiko wird oft nicht beachtet oder unterschätzt, es gibt kein echtes Konzept für Kauf & Verkauf (siehe PLUG) und damit ist das alles einfach zum Scheitern verurteilt. So traurig das ist. Der Wunsch nach schnellen Reichtum führt den ein oder anderen in eine böse Falle. Allein die Intagram-Posts meines Brokers zeigen welche Missverständnisse bei den Hobbyanlegern verbreitet sind.
Vielleicht findet sich jemand von Euch unter denen, die diese Aktien gehandelt haben. Nutzt diesen Anlass einmal und schaut euch im Vergleich z.B. die absoluten Top-Trader bei Wikifolio an. Schaut welche Titel sie im Wikifolio handelten oder nicht handelten und versucht zu verstehen was sie dazu bewegte. Der ein oder andere ist auch so freundlich und beschreibt was zu seinen Entscheidungen führte. Dies nachzuvollziehen wird ein guter erster Schritt sein.
Es liegt auf der Hand, dass allein die richtige Aktienauswahl ein zentraler Aspekt ist. Den richtigen Kauf und Verkaufzeitpunkt zu finden ist dann das nächste große Thema. Wenn es gelingt für diese beiden Themen geeignete Konzepte zu erarbeiten steht dem Erfolg nur noch wenig im Wege. Viel Erfolg!