Selbstkontrolle & Risikokontrolle

Der späte Freitagsverlauf und mein Handel(n) veranlasst mich einen Beitrag über den Kern des Tradings zu schreiben. Das ist nicht wie viele vielleicht denken könnten irgendein Trading-System oder ein ganz besonders toller Indikator, es ist eine psychologische Komponente die im vielumfassenden Bereich Trading letzten Endes die Spreu vom Weizen trennt.

Wenn man eine Zeitlang dabei ist und herausgefunden hat in welchem Zeitbereich und welche Instrumente zur eigenen Persönlichkeit passen und irgendwann auch merkt, dass es funktioniert und man zur falschen Meinung gelangt die Märkte im Griff zu haben, dauert es nicht lange bis uns Mr. Market einen verpasst und uns schnell ganz andere Schwächen aufzeigt. Es geht um die persönlichen Schwächen, d.h. die inneren Fähigkeiten mit den eigenen Trieben wie Angst, Gier oder das Gefühl der Überlegenheit oder Niedergeschlagenheit umzugehen. Viele von Euch werden es kennnen: Nach einer besonders guten Phase neigt man dazu sein Risiko zu erhöhen just im Augenblick als sich der Markt (zwangsläufig übrigens!) ändert. Gier überkmmt uns. Auch in schlechten Phasen ist es ähnlich, nach einer längeren Verlustserie von 5 oder 6 fehlgegangenen Trades möchte uns unser Überlebensinstinkt mitteilen gerade mit dem nächsten Trade alles wettzumachen und verschlimmert das Problem nur noch. Rationales Denken wird abgeschaltet und man ist nicht in der Lage zu erkennen, dass die Marktphase nicht mehr zu den eigenen Mitteln, die man zum Trading nutzt, passt. Warum schreibe ich das?

Am gestrigen Freitag gegen 14uhr habe ich innerlich die Handelswoche abgeschlossen. Sah spitze aus, keine Position mehr offen, ein Kontostand hier im Projekt von 1351€, d.h. ich konnte über 150 € in der Woche zulegen, war ingesamt 5 Wochen dem Plan voraus. Aus Gründen, die ich mir immer noch nicht 100%ig erklären kann, habe ich das Haus mit 3 (!) offenen short-Entry Order verlassen. Short im DAX, INDU, und SPX. Mein Maximal zulässiges Risiko lag bei Faktor 3 des eigentlich Erlaubten. Eines weiß ich: Es ist die schlimmste Form der fehlenden Selbstkontrolle zum Tragen gekommen. Eine Mischung aus Arroganz, Überlegenheitsgefühl und Gier.

Als ich wieder kam, die Handeslplattform öffnete und sah, dass ich mit 240 Pips im Minus lag, mehr als das Doppelte dessen was nach Regelwerk erlaubt ist, herrschte nichts anderes als Panik. Man befindet sich an diesem Punkten automatisch in einen Zustand, der kein richtiges Handeln mehr möglich macht. Für solche Dinge braucht es einen Notfallplan. Was mache ich in einem Fall X? Was wenn alles an das man glaubt schief geht? Das Problem ist nur – und das macht das Trading so schwer – wenn man sich vorher in einem Zustand des Triuphes und Euphorie oder aber auch Angst und Niedergeschlagenheit befindet, sich selbst nicht mehr im Griff hat und die inneren Triebe regieren, denkt man an alles aber nicht an den Fall X. Deshalb war ich am Freitag auf den heftigen Rebound auch nicht vorbereitet und deshalb greift in einem solchen Fall nur die Notbremse. Alles schließen und Schluss machen, den Handelstag eine Zeit später analysieren und die Lehren daraus ziehen.

Das Wichtigste ist zunächst einmal die volle Verantwortung für das Geschehene zu übernehmen. Ich könnte auf ein extremes Slippage im DowJones Kontrakt hinweisen (Stopp Entry war bei 10395, bedient wurde ich fast exakt am Low bei 10362, alleine damit war ich mehr als 30 Pips hinten, aber das würde am Kern des Problems vorbei gehen. Viel mehr ist allein dieses Gap ein Alarmzeichen, das ein sofortiges Schließen der Positon zur Folge haben muss, weil ein Markt, der solche Lücken reißt, alles andere als Normal ist. Der DowJones Kontrakt ist zwar bei weitem nicht so liquide wie der ES-Future aber immer noch liquide genug um bei solchen Gaps die Alarmglocken läuten zu lassen. Der Markt reagierte jedenfalls nicht mit einem Ausverkauf sondern dem Gegenteil davon und das ist das stärkste Marktstärke Signal, das man als Trader erhalten kann. Wer nach 1 % Gap-Down kauft gehört nicht zu den sg. “Zittrigen Händen”. Wie gesagt, das war nicht das Problem gestern, es war die Tatsache, dass ich plötzlich 3x zu hohes Risiko short war, kommen wir also zurück zur Risikokontrolle:

Mir ist dieses Malheur nicht zum ersten mal passiert und daher kann ich glücklicher Weise in meine Erfahrungskiste greifen und weiss, dass die sofortige Schließung aller Positionen die einzig richtige Reaktion ist. Zwar wird dieser short-squeeze früher oder später wieder korrigiert, aber es kann hunterte Punkte nach oben laufen und das bringt dich irgendwann in eine deart heftige Schieflage, dass du aufgrund der psychologischen Belastung gar nichts mehr richtig machst. Es hilft nur das sofortige Schließen, auch wenn es oft am Top der Beweung ist, doch der Zugewinn an Handlungsfreiheit und unbelastetem Handel ist unbezahlbar.

-242 Pips musste ich verzeichnen, 5 Wochen Vorsprung sind zusammengeschmolzen aber es bleiben positive Rückschlüsse: Das Notfallkonzept ist vorhanden und – das ist wesentlich wichtiger – ich bin in der Lage damit zurecht zu kommen. Dennoch habe ich einen ordentlichen Nackenschlag und einen Berg voll Hausaufgaben mitgenommen, denn ich muss mir überlegen eine Methode oder ein Sicherheitsnetz um meine noch offensichtlichen Schwächen bei der Selbstkontrolle in den Griff zu bekommen. Ich denke jeder von Euch wird sich schon einmal in einer ähnlichen Situation befunden haben. Genau diese Situationen sind es aber, die uns eine Chance geben, das eigene Trading auf eine höhere Stufe zu stellen und so gilt es sich hinzusetzen und seine Hausaufgaben zu machen. Ich bin trotz all dem im Soll und bin mir sicher, die Performance der letzten Wochen weiter zu behalten so lange ich es schaffe weiter sachlich zu handeln.

Ein schönes WE euch allen!